Viele Angehörige trifft die Diagnose “psychische Krankheit“ wie ein Schlag. Vor allem die Diagnose „Schizophrenie“ ist äußerst angstbesetzt – oft werden im Kopf die entsetzlichen Bilder abgerufen, die in Filmen und Büchern verbreitet werden obwohl die Realität heute in keiner Weise diesen effekthascherischen Bildern entspricht.

 

Kaum Informationen und Trost von Fachleuten

 

In dieser Situation, in der Angehörige Hilfe und auch Trost brauchen, wurden sie lange Zeit vor allem von den Ärzten mit ihrer Angst, ihrer Unsicherheit und mit den oft verstörenden Verhaltensweisen ihre Kinder in psychotischen oder manischen Phasen allein gelassen. Niemand informierte sie über die Krankheit, es gab keine Aufklärung über die Erkrankung, ihre Symptome, Medikamente oder andere Formen der Therapie. Sie erfahren nichts über die Nebenwirkungen der Medikamente. Oft werden negative Prognosen ausgesprochen, obwohl niemand wissen kann, wie eine psychische Krankheit verlaufen wird. Niemand macht ihnen Hoffnung, obwohl heute bekannt ist, dass Menschen auch mit einer psychischen Krankheit ein gutes Leben führen können.

 

Angehörigenverbände haben für besser Aufklärung gekämpft

 

Inzwischen hat sich etwas zum Besseren gewendet. Die Angehörigenverbände haben dafür gekämpft, dass heute von einigen Kliniken Hilfen für Angehörige angeboten werden: Psychoedukation, Gesprächsgruppen, Gespräche mit den Ärzten und Visiten, an denen auch Angehörige teilnehmen können. Die Angehörigenverbände selbst bieten in allen Bundesländern ebenfalls Trost und Unterstützung an.

 

Familien und Freunde wenden sich ab

 

In ihren Familien und ihrem Bekanntenkreis finden Angehörige wenig Empathie und schon gar keine Unterstützung. Viele wenden sich ab, vielleicht, weil sie Angst vor diesem furchtbaren Wort „Schizophrenie“ haben. Oft werden die Eltern, vor allem die Mutter, verantwortlich gemacht für die psychische Erkrankung. Schuldzuweisungen und auch Stigmatisierung werden zu einer zusätzlichen Belastung für Angehörige.

 

 

Alltag mit psychisch Erkrankten wird zur Herausforderung

 

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus beginnt für Angehörige oft die schwierigste Phase, weil nicht klar, ist, welches Leben der Betroffene anschließend führen kann oder führen will. Manche der Erkrankten können nicht wieder in auf ihren vorherigen Arbeitsplatz zurückkehren, weil sie der Belastung nicht gewachsen sind. Junge Erkrankte haben krankheitsbedingt die Schule abgebrochen und können oft nicht zurückkehren. Sind sie volljährig, ist keine Schule verpflichtet, sie wieder aufzunehmen. Es gibt Möglichkeiten in sozialpsychiatrischen Einrichtungen, die Schule nachzuholen oder sich in einer Arbeitstherapie zu erproben, aber es kann Monate bis Jahre dauern, bis Angehörige sich im Dschungel der Sozialpsychiatrie zurechtgefunden haben. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Eltern selbst dort keinen Antrag stellen können, sondern dies nur der Betroffene selbst tun kann. Oft können sie aber genau das nicht: Sie sehen nicht, dass sie krank sind oder sind zu ängstlich oder unsicher. Es ist gerade ein Symptom der psychischen Erkrankungen, dass die Betroffenen ihre Alltagskompetenz verlieren und ihnen vieles schwerer fällt als jungen Menschen ohne Erkrankung.

 

Die ganze Familie gerät in eine Krise

 

Wenn die Betroffenen noch zuhause wohnen, müssen Angehörige lernen, mit ihren schwierigen Verhaltensweisen umzugehen. Viele weigern sich, ihre Medikamente zu nehmen, nicht zuletzt wegen der störenden Nebenwirkungen. Das kann dazu führen, dass die Symptome der Erkrankung bestehen bleiben und Familien durch das Verhalten des Erkrankten gesprengt werden. Aus Angst vor einer neuen Krise, fühlen Eltern sich oft nicht in der Lage, ihren Kindern die gebotenen Grenzen zu setzen. Manche der Erkrankten wohnen noch im Alter noch bei den eigenen alten Eltern. Die Angehörigen befinden sich dann befinden sich dann in permanenter Alarmbereitschaft und entwickeln dabei nach Jahren selbst psychische und physische Erkrankungen. Eltern trennen sich, die Geschwister ziehen sich vollkommen zurück oder entwickeln selbst  unangepasste Verhaltensweisen.

 

Angehörige müssen lernen, mit der Erkrankung umzugehen

 

Kaum jemand kann Angehörigen dabei helfen, den richtigen Umgang mit den Betroffenen zu finden. Sie versuchen jahrelang, ihre Betroffenen dazu zu bewegen, ihre Krankheit und die angebotenen Therapien zu akzeptieren und ihnen immer wieder eine neue Möglichkeit aufzuzeigen.  Oft sind sie verzweifelt, wenn sie merken, dass sie mit ihren Anstrengungen scheitern. Aber es gibt eine Möglichkeit für Angehörige, mit ihrer schwierigen Situation anders umzugehen. Zunächst müssen sie die Realität akzeptieren: Die Betroffenen müssen selbst lernen, mit ihrer Krankheit umgehen. Aber auch Angehörige müssen lernen. Sie sollten lernen, mit ihren Gefühlen, Ängsten und Sorgen umzugehen. Es gilt, Grenzen zu setzen und Gelassenheit zu entwickeln. Statt Angst vor neuen Krisen  zu haben, sollten sie lernen, zusammen mit den Betroffenen mit den Krisen gut umzugehen. Vor allem sollten sie für sich selbst sorgen, um gesund zu bleiben. Dabei kann es helfen, sich mit anderen Angehörigen zusammenzutun, um sich über Probleme und Lösungsstrategien auszutauschen. Nur Angehörige, denen es psychisch und physisch gut geht,  können auch gute Angehörige sein.

 

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Beiträge, die durch die Rubrik Patientenblicke gekennzeichnet sind, geben die Meinung des jeweiligen Autors und nicht immer die Meinung der Mediteo GmbH wieder. Patientenblicke dient lediglich dazu, verschiedene Sichtweisen und Meinungen von Betroffenen und Angehörigen aufzuzeigen und Einblicke in deren Lebenssituation zu ermöglichen.