Single Pill-Therapie & Adhärenz

Adhärenz: Was ist das?

Der Begriff Adhärenz beschreibt die Einhaltung von Therapiezielen, die während des Behandlungsprozesses gemeinsam von Patienten und Arzt festgelegt worden sind. Das Wort Adhärenz stammt vom lateinischen Verb „adhaerere“ ab, was so viel bedeutet wie „sich an etwas anhängen/anschließen“. Häufig wird Adhärenz auch mit Therapietreue übersetzt und mit dem Begriff Compliance verwechselt. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen der Bedeutung von Compliance und Adhärenz. Der Begriff Compliance (übersetzt „Folgsamkeit“) existiert bereits recht lange in der Medizin und beschreibt die Einhaltung und Befolgung der vom Arzt verschriebenen Therapiemaßnahmen durch den Patienten. Hierbei nimmt der Patient eine eher passive Rolle in der Entscheidung über die Behandlung und die Therapieziele ein und führt die vom Arzt empfohlenen Handlungen (wie zum Beispiel die Einnahme von Medikamenten) aus. Bei der Entscheidung über Therapieziele, die während des Behandlungsprozesses festgesetzt werden, hat der Patient in der Regel wenig Mitspracherecht. Dies ist bei der Adhärenz anders. Das Konzept der Adhärenz hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt und stellt den Patienten und seine Teilnahme an der Behandlung stärker in den Mittelpunkt. Der Patient soll aktiv in die Entscheidungen während des Behandlungsprozesses mit einbezogen werden und setzt gemeinsam mit dem Arzt den Behandlungsplan fest. Wenn ein Patient nicht aktiv an der Festlegung des Therapieplanes und dessen Durchführung teilnimmt, spricht man von Non-Adhärenz. Welche Folgen die Non-Adhärenz haben kann und welche Faktoren die Adhärenz beeinflussen, können Sie im nächsten Kapitel nachlesen.

Warum ist Adhärenz wichtig und welche Folgen hat Non-Adhärenz?

Die Adhärenz ist ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen, denn nur eingenommene Medikamente oder durchgeführte Maßnahmen können auch wirken. Die regelmäßige und pünktliche Einnahme von Medikamenten kann einen großen Einfluss auf die Wirkung von Medikamenten haben. Durch die verordneten Medikamente erhoffen sich Arzt und Patient einen gewissen Effekt, wie beispielsweise die Reduktion des Blutdrucks bei der Verschreibung von blutdrucksenkenden Medikamenten zur Therapie der arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck). Dieser Effekt kann ausbleiben oder nur in reduziertem Maße eintreten, wenn die Medikamente nicht wie vom Arzt verschrieben eingenommen werden. In der Folge kann es unter Umständen dazu kommen, dass der behandelnde Arzt die Medikamenten-Dosierung erhöht oder ein weiteres Medikament zusätzlich zu den bereits verschriebenen Medikamenten verordnet.

Vielen Patienten fällt es jedoch schwer adhärent (therapietreu) zu sein. Einige Studien berichten, dass die Adhärenz bei der Behandlung chronischer Erkrankungen in Industrieländern bei ca. 50 % liegt. Das bedeutet, dass 50% der für chronische Erkrankungen verschriebene Medikamente korrekt eingenommen werden. Vor allem bei chronischen Erkrankungen ist es wichtig, dass die Medikamente oder die Behandlungen regelmäßig und zuverlässig eingenommen oder durchgeführt werden. Häufig können chronische Erkrankungen nicht vollständig geheilt werden. Durch eine konsequente Behandlung können aber in vielen Fällen die Stärke und die Symptome einer Erkrankung gelindert werden. Gleichzeitig kann durch eine hohe Adhärenz das Auftreten von akuten Komplikationen, die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten und die Entstehung von Folgeerkrankungen reduziert werden. Am Beispiel des Bluthochdrucks kann dies gut veranschaulicht werden. Die konsequente Einnahme der verschriebenen blutdrucksenkenden Medikamente und die Einhaltung der gemeinsam mit dem Arzt festgelegten Therapieziele sind wichtig für einen gut eingestellten Blutdruck. Dadurch kann unter anderem das Auftreten von akuten Komplikationen, wie beispielsweise eine Entgleisung des Blutdrucks (ein plötzlicher und deutlicher Anstieg des Blutdrucks), und die Entstehung von Folgeerkrankungen, wie Herzinfarkt, Herzschwäche, Schlaganfall oder Nierenversagen reduziert werden.

Welche Faktoren können die Adhärenz beeinflussen?

Die mangelnde oder fehlende Therapietreue wird auch als Non-Adhärenz bezeichnet. Meist gibt es nicht nur einen Grund, sondern eine Kombination aus vielen verschiedenen Gründen, wieso ein Patient nicht adhärent ist. In der Literatur wird in Bezug auf die Adhärenz von fünf Dimensionen gesprochen, die die Adhärenz beeinflussen.

Diese fünf Dimensionen sind:

  • patientenbezogene Faktoren,
  • krankheitsbezogene Faktoren,
  • therapiebezogene Faktoren,
  • soziale oder ökonomische Faktoren und
  • die medizinische Betreuung beziehungsweise gesundheitssystembezogene Faktoren.

Unter patientenbezogenen Faktoren versteht man unter anderem die Angst des Patienten vor Nebenwirkungen, die Vergesslichkeit des Patienten, die Motivation Medikamente einzunehmen oder dem Therapieplan zu folgen, das Vertrauen in die Therapie und deren Wirkung sowie das Wissen über die Erkrankung. Ein Patient, der über seine Erkrankung, deren Symptome und deren Folgen informiert ist, kann mit der Erkrankung, der Therapie und eventuell auftretenden Komplikationen besser umgehen. Aber nicht nur der Patient hat Einfluss auf die Adhärenz.

Auch der Arzt oder das Gesundheitssystem im Allgemeinen kann die Adhärenz des Patienten beeinflussen. Wenn ein Patient sich von seinem Arzt verstanden fühlt und diesem vertraut, dann kann sich dies positiv auf die Therapietreue auswirken. Auch die Zeit, die sich ein Arzt für die Aufklärung des Patienten über seine Erkrankung und seinen Therapieplan nimmt, kann die Adhärenz erhöhen.

Eine weitere Dimension, die die Adhärenz beeinflussen kann, sind therapiebezogene Faktoren. Hierunter versteht man unter anderem die Komplexität des Therapieplans, die Dauer der Therapie und die Häufigkeit von Änderungen am Therapieplan. Vor allem bei sehr komplexen Medikationsplänen, die beispielsweise Medikamente mit unterschiedlichen Dosierungen und unterschiedlichen Einnahmezeiten beinhalten, können diese die Adhärenz negativ beeinflussen. In den meisten Fällen können langfristige Therapien, zum Beispiel bei chronischen Erkrankungen, sowie ein häufiger Medikamentenwechsel die Adhärenz negativ beeinflussen.

Die hier genannten Faktoren, die die Adhärenz beeinflussen können, sind nur einige Beispiele zum besseren Verständnis. Es gibt noch viele weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Adhärenz eines Patienten haben können und bei jedem Patienten individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.

Single Pill-Therapie: Was versteht man unter einer Single Pill-Therapie und bei welchen Erkrankungen kann sie eingesetzt werden?

Unter einer Single Pill-Therapie versteht man die Zusammenfassung mehrerer Wirkstoffe in einer einzelnen Tablette mit der jeweils gleichen Wirkstoffdosierung wie in den Einzeltabletten. Single Pills werden häufig auch Kombinationstablette genannt und enthalten meistens zwei Wirkstoffe. In manchen Fällen gibt es sogar Kombinationstabletten, die drei oder mehr Wirkstoffe enthalten und somit mehrere verschiedene Tabletten, die ein Patient an einem Tag einnehmen muss, ersetzen können. Single Pills sind bereits für die Behandlung verschiedener Erkrankungen verfügbar, wobei sie weiterhin nur einen kleinen Anteil aller verfügbaren Medikamente ausmachen. Zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, infektiösen Erkrankungen, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und vielen weiteren Erkrankungen, können Single Pills bereits eingesetzt werden. Für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen bereits sogar viele verschiedene Single Pills zur Verfügung. Eine typische und sehr häufig auftretende Herz-Kreislauf-Erkrankung ist die arterielle Hypertonie (Bluthochdruck). Für die Behandlung eines Bluthochdrucks können viele unterschiedliche Wirkstoffe eingesetzt werden. Die europäische Leitlinie empfiehlt, beim Beginn einer medikamentösen Therapie des Bluthochdrucks eine Kombination von zwei Wirkstoffen zu verwenden. Zusätzlich wird empfohlen eine Kombinationstablette einzusetzen, wenn möglich. Hierdurch kann die Anzahl der Tabletten, die ein Patient pro Tag einnehmen muss, reduziert werden. Ein anderes Beispiel zum Einsatz von Single Pills ist die Behandlung von infektiösen Erkrankungen, wie zum Beispiel eine HIV-Infektion oder die Infektion des Magens mit dem Bakterium Helicobacter pylori, das sehr häufig zur Entstehung von Magengeschwüren beitragen kann. Auch hier kann durch den Einsatz von Single Pills die Anzahl der einzunehmenden Tabletten reduziert werden.

Welche Vorteile hat eine Single Pill-Therapie?

Der größte Vorteil einer Single Pill-Therapie ist die Reduktion der Tablettenanzahl, die ein Patient pro Tag einnehmen muss. In Deutschland müssen sehr viele Menschen mehrere Tabletten am Tag einnehmen. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger, die über 70 Jahre alt sind, nehmen 3 oder mehr Tabletten am Tag ein. Ab einem Alter von 75 Jahren ist die Tablettenanzahl noch höher. In dieser Altersgruppe nimmt jeder dritte Bundesbürger mindestens 8 Tabletten ein. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten sich häufig durch die Einnahme von mehreren Tabletten am Tag belastet fühlen und sich wünschen die Anzahl der Tabletten zu reduzieren. Diese Situation wird auch Tablettenlast genannt.

Die Einnahme dieser hohen Tablettenanzahl kann nicht nur zu einer Belastung des Patienten, sondern auch zu einer Verschlechterung der Adhärenz führen. In einigen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Adhärenz mit der Anzahl der Tabletten, die ein Patient einnehmen muss, sinkt. Das heißt, mit jeder weiteren Tablette kann die Therapietreue des Patienten sinken. Im Umkehrschluss heißt das, dass eine Reduktion der Tablettenanzahl die Adhärenz eines Patienten verbessern kann.

Oftmals ist die Reduktion der Tablettenanzahl aus medizinischer Sicht jedoch nicht möglich, da alle verschriebenen Medikamente zur Behandlung der Erkrankungen des Patienten wichtig sind und nicht einfach weggelassen werden können. Aber in manchen Fällen können mehrere einzelne Tabletten in einer Single Pill zusammengefasst werden. Eine Studie zu Bluthochdruck hat beispielsweise gezeigt, dass durch die vereinfachte Tabletteneinnahme eine Therapieerleichterung, eine erhöhte Adhärenz sowie eine Risikoreduktion von Folgeerkrankungen (z. B. Schlaganfall, ein erneuter Herzinfarkt oder ein Herzkreislauftod) einhergehen kann.

Wie kann ich herausfinden, ob eine Single Pill-Therapie für mich geeignet wäre?

Folgende Fragen helfen Ihnen dabei herauszufinden, ob eine Single Pill-Therapie für Sie geeignet sein könnte:

Wie viele Tabletten nehme ich täglich ein?

  • Wenn Sie nur eine Tablette pro Tag einnehmen, ist eine Single Pill-Therapie für Sie wahrscheinlich nicht geeignet. Wenn Sie mehrere Tabletten an einem Tag und zum gleichen Zeitpunkt einnehmen, könnte eine Single Pill-Therapie für Sie in Frage kommen.

Nehme ich meine Tabletten zuverlässig und pünktlich ein?

  • Wenn es Ihnen schwerfällt, sich an all Ihre Einnahmen zu erinnern oder Sie auch manchmal Ihre Einnahmen vergessen, dann könnte eine Single Pill-Therapie für Sie in Frage kommen.

Fühle ich mich durch die Einnahme meiner Tabletten belastet?

  • Wenn Sie bemerken, dass Sie sich durch die Einnahme Ihrer Tabletten belastet fühlen und auch Schwierigkeiten haben, die Tabletten regelmäßig und pünktlich einzunehmen, dann könnte eine Single Pill-Therapie für Sie in Frage kommen. Wichtig dabei ist, dass Änderungen an der Medikation niemals ohne Absprache mit dem behandelnden Arzt vorgenommen werden sollten. Wenn Sie das Gefühl haben, ein Medikament nicht zu vertragen oder nicht die gewünschte Wirkung verspüren, sprechen Sie bitte Ihren Arzt darauf an.

Aktuell gibt es noch nicht für alle Erkrankungen und deren Therapie die Möglichkeit einer Kombinationstablette. Bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sind allerdings bereits schon viele Single Pills verfügbar. Und auch in anderen Bereichen der Medizin werden bereits Single Pills eingesetzt. Wenn Sie mehr über das Konzept der Single Pill-Therapie erfahren möchten, dann sprechen Sie Ihren Arzt darauf an. Ihr Arzt kann Sie beraten, ob ein Single Pill-Therapiekonzept für Sie in Frage kommen würde.

Generell sollten Sie auf Ihre Therapie achtgeben und bei Fragen und Unklarheiten Ihren Arzt ansprechen.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich Interesse an einer Single Pill-Therapie habe?

Wenn Sie mehr zu einer möglichen Single Pill-Therapie erfahren möchten, wenden Sie sich an Ihren Arzt. Sprechen Sie Ihren Arzt auf Ihre aktuelle medikamentöse Therapie und die Belastungen, die Sie durch die Einnahme der Tabletten verspüren, an. Fragen Sie Ihren Arzt, ob es für Ihren individuellen Fall die Möglichkeit gibt, zwei oder sogar drei Medikamente durch eine Kombinationstablette (Single Pill) zu ersetzen. Um sich auf das Gespräch mit dem Arzt vorzubereiten, können Sie sich die Fragen, die Sie dem Arzt stellen möchten, notieren. Wenn es Ihnen schwer fällt, gleichzeitig dem Arzt aufmerksam zuzuhören und die Antworten zu Ihren Fragen zu notieren, dann könnte es hilfreich sein, eine weitere Person (zum Beispiel Ihren Partner) zu dem Arztgespräch mitzunehmen.

Wichtig dabei ist, dass Änderungen an der Medikation niemals ohne Absprache mit dem behandelnden Arzt vorgenommen werden sollten. Wenn Sie das Gefühl haben, ein Medikament nicht zu vertragen oder nicht die gewünschte Wirkung verspüren, sprechen Sie bitte Ihren Arzt darauf an.

Wenn Sie sich zu Ihren Medikamenten im Allgemeinen beraten lassen möchten, dann können Sie Ihren Arzt beim nächsten Termin darauf ansprechen. Eine weitere Möglichkeit ist eine Medikationsberatung in Ihrer Apotheke. Fragen Sie Ihre Apotheke, ob solch eine Beratung angeboten wird und vereinbaren Sie einen Termin. Fragen Sie außerdem nach, welche Unterlagen (z. B. Medikationsplan, Allergieausweis) zum Beratungstermin mitgebracht werden sollten.